FAQ Kinderrad:                    Radfahren lernen

 
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Inhalt:

angemessenes Alter zum Radfahren
Gleichgewichtssinn
Physik des Radfahrens
Laufrad
Radfahren lehren
Stützräder
Tretroller
Die nächsten Schritte
Kindertransport




1 In welchen Alter sollen Kinder Radfahren lernen?
Das Alter ist nicht entscheident, sondern die persönliche Entwicklung und vor allem: der unbedingte Wille des Kindes, es zu schaffen. Heute ist es üblich, dass Kinder mit dem Laufrad das Gleichgewicht auf dem Zweirad erlernen, um dann im 2. Schritt auf ein richtiges Fahrrad umzusteigen. Der Umstieg sollte nicht forciert werden, denn die körperlichen Voraussetzungen setzen Grenzen.

2 Ist ein Laufrad einen Tretroller vorzuziehen? Auf welche Weise lernt das Kind eher Radfahren?
Radfahren lernen ist nicht sehr schwierig. Die Frage, ob ein Tretroller oder Laufrad als Vorstufe zum Radfahren besser taugt, ist zweitrangig.
Laufräder erhöhen den Aktionsradius und die Mobilität kleiner Kinder schon ab 3 Jahren. Die Nutzungszeit ist sehr gering. Es gibt Laufräder, die zu richtigen Fahrrädern umzubauen sind. Sie sind allerdings recht schwer. Die Sattelstütze muß sehr lang sein, um zusätzlich auch auf das Wachstum des radfahrenden Kindes eingehen zu können.
Der Kauf eines Laufrads in der Gewichtsklasse eines kleinen Fahrrads ist genauso überflüssig wie der Erwerb eines sogenannten "City-Rollers" mit winzigen Rädchen.
Ein Tretroller ist geringfügig schwerer zu handhaben. Er ist ein Sportgerät ganz eigener Art, das bei ausreichender Größe (12") sehr lange auch von älteren Kindern gerne gefahren wird. Er kann variantenreich benutzt werden und schult ausgezeichnet die Motorik.

3 Der Radhändler bietet Spielräder mit Stützräder an. Angeblich sind sie nicht zu empfehlen. Wir haben alle mit Stützrädern Radfahren gelernt. Was soll daran falsch sein?
Der Lernprozeß wird unnötig erschwert. Mit einem Dreirad wird das Gleichgewicht eindeutig statisch erreicht, mit einem Zweirad dagegen dynamisch. Ein Fahrrad mit Stützrädern wechselt ständig zwischen unterschiedlichen Zuständen, die sich gegenseitig ausschließen. Es gibt bessere Alternativen, um die notwendige Entwicklungsspanne zu überbrücken.
Glücklicherweise ist Radfahren so einfach, daß Kinder trotz elterlicher Störmanöver wie Stürzräder, Besenstile, Seile, festhalten u.a. es doch noch erlernen. Ein Radfahrer vollzieht ständig sinnvolle Bewegungen, die bei einem Wackelgefährt mit Stützrädern destabilisierend wirken und deswegen vermieden werden. Der kleine Radfahrer muß also nicht nur Radfahren völlig neu lernen, sondern das alte falsch programmierte Verhalten wieder verlernen (negatives Lern-Feedback). Nicht immer gelingt das so einfach.
Siehe auch: Stützräder am Spielrad

4 Wie funktioniert Radfahren? Warum fällt man nicht um?
Der Radfahrer fährt genaugenommen nicht geradeaus, sondern in langgezogenen Schlangenlinien: er baut mit dem Lenker eine Trägheitskraft (vereinfacht: "Fliehkraft") auf, die gegen der Schwerkraft gestellt ist. Die Wirkung dieser Kraft hebt die Neigung zu fallen auf. Kreiselkräfte und Steuergeometrie unterstützen den Regelvorgang. Normales Radfahren hat nichts mit Balancieren zu tun. Gewichtsverlagerung spielt nur selten eine Rolle, z.B. beim freihändig fahren oder bei Schrittgeschwindigkeit.
Radfahren ist ein Vorgang, den fast kein Radfahrer versteht. Kinder gehen damit recht unbekümmert um. Die Grundfähigkeiten zum Radfahren werden normalerweise in sehr kurzer Zeit gelegt [1].
Wenn Kinder mit ihren Rädern sichtbar "eiern", sind sie in der Regel zu langsam: physikalisch ist ihre Kurvenfahrt völlig normal. Im Gegensatz zu anderen Darstellungen haben die besonderen anatomischen Proportionen von Kindern (relativ großer Kopf) keinen negativen Einfluß auf die Gleichgewichtslage beim Radfahren. Auch größere seitliche Wackelbewegungen lassen sich physikalisch erklären.


5 Muß der Gleichgewichtssinn von Kindern geschult werden, um Radfahren zu lernen?
Nein. Die Gleichgewichthaltung beim Gehen stellt sich ebenfalls als dynamischer Prozeß dar. Der Mensch pendelt von einem Bein auf das andere. Droht er z.B. nach links umzufallen, stellt er das linke Bein weiter nach links aus. Der Radfahrer macht es ähnlich: er dreht den Lenker nach links, um links nicht umzukippen. [2]


6 Wie lehre ich das Zweiradfahren?
Gar nicht. Kinder lernen durch nachahmen und ausprobieren. Es hat keinen Sinn, die Physik des Zweiradfahrens in ein aufwändiges didaktisches Konzept übersetzen zu wollen. Geben Sie dem Kind einen luftbereiften Roller. Wenn es ohne abzusetzen kurven kann und groß genug für ein Spielrad ist, erklären Sie, daß es jetzt Zweiradfahren kann und nur noch das Starten üben muß. Das Fahrrad soll klein und leicht genug sein, die Lager leichtgängig und die Reifen gut aufgepumpt. Wählen sie eine glatte Ebene (z.B. Parkplatz), die eben oder nur sehr geringfügig geneigt ist. Ermutigen Sie, aber geben Sie keine Hilfestellung mit der Hand. Der normalerweise schnell einsetzende Erfolg ist immer wieder erstaunlich.
Wenn allerdings nach 10 Minuten immer noch keine 5 Meter geschafft sind, das Kind verunsichert ist und keinen nennenswerten Eifer zeigt, brechen Sie das Vorhaben ab und probieren es später, wenn das Kind den Wunsch äußert.
Bei den ersten Übungen (bremsen, kurven) sollte das Kind das gewohntes Umfeld nicht verlassen.


7 Einwand: bei meinem Kind funktioniert das aber nicht so einfach!
Der Lernprozeß "Radfahren" kann durch fehlgeleitete Versuche völlig verkorkst sein. Außerdem gibt es Kinder mit motorischen Behinderungen. In diesen Fällen ist es sinnvoll, zunächst die Pedale abzuschrauben, den Sattel sehr tief zu setzen und das Fahrrad als Laufrad zu benutzen. Sie werden wieder anmontiert,wenn das Gleichgewicht mit abgehobenen Füßen sicher beherrscht wird.


13 Welche Ratschläge sollte ich nicht folgen?
- Das Kind beim Fahren festhalten und dann ohne vorherige Absprache einfach loslassen: ein pädagogisch zweifelhaftes Verhalten. Ein unsicheres Kind könnte daraufhin tatsächlich fallen. Und damit wird auch das Vertrauen beschädigt. Selbstsichere Kinder brauchen keine hilfreichen Hände. Kinder sind versucht, während der Fahrt nach hinten zu schauen, wenn Eltern hinter ihnen laufen.
- Bücher über das Radfahren lernen vorlesen: in solchen Schriften fließt das Blut nur so, der kleine radübende Tiger macht serienmäßige Abflüge über den Lenker usw. Kleine Verletzungen sind später zwar unvermeidlich, zum Fahrenlernen dagegen nur kontraproduktiv.


38 Mein Kind fährt! Was sind die nächsten Schritte?


8 Warum gibt es keine Kinderräder mit 3 Rädern und fahrradüblichen Kurbel-Kettentrieb mehr?
Wozu sollten sie gut sein? Kinder, die ein derartiges Gefährt benutzen können, sind auch groß genug, richtig Rad zu fahren. Die Kettenübersetzung ermöglicht Geschwindigkeiten, die für ein Dreirad in der Kurve zu hoch sein können. Kettengetriebene Dreiräder haben sich nur durchgesetzt bei Reha-Fahrzeugen (vorsichtige Fahrweise) oder bei Liegerädern (niedriger Schwerpunkt).




Literatur:

[1] "Physikalische Modelle der Fahrraddynamik - Warum ist Fahrradfahren so einfach?"
      Gert Franke, Wilfried Suhr, Falk Ried - FB Physik Universität Oldenburg
      aus: "Pro Velo" 21/1990
[2] "Der heimliche Lehrgang zum Radfahren - die Aneignung von Kinderfahrzeugen"
      Holger Probst - FB Erziehungswissenschaften Universität Marburg
     aus: "Ansichten vom Fahrrad", Hrsg.: Becker und Probst, Marburg 1996